Statusfeststellungsverfahren und Sozialversicherungspflicht bei Selbstständigen, Freiberuflern u. GmbH-Geschäftsführern

Feststellung der Sozialversicherungspflicht

Die Zusammenhänge im Bereich der Feststellung der Sozialversicherungspflicht für Selbstständige, Freiberufler und GmbH-Geschäftsführer sind komplex und häufig Gegenstand rechtlicher Auseinandersetzungen.

Eine Statusfeststellung von Gesetzes wegen findet insbesondere immer dann statt, wenn ein Arbeitgeber ein Beschäftigungsverhältnis mit einem Ehe- oder Lebenspartner, einem Familienangehörigen oder einem Gesellschafter des Unternehmens zur Sozialversicherung anmeldet. Bei diesem obligatorischen Verfahren leitet die Einzugsstelle (die Krankenkasse) bei Meldung einer Tätigkeit eines Ehegatten, Lebenspartners, Kindern, Enkeln oder eines geschäftsführenden GmbH-Gesellschafters automatisch ein Statusfeststellungsverfahren ein.

Seit dem 01.04.2022 gelten neue Regelungen für das Statusfeststellungsverfahren (§ 7a SGB IV):

Isolierte Feststellung des Erwerbsstatus

Es wird nicht mehr über die Versicherungspflicht entschieden, sondern über den Erwerbsstatus, d.h. die Frage, ob eine Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit vorliegt. An der materiellen Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit, die durch eine Gesamtabwägung aller Einzelkriterien zu erfolgen hat, ändert sich durch die Reform jedoch nichts. Die Deutsche Rentenversicherung Bund entscheidet auf Grund der Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles, ob es sich um eine abhängige Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit handelt. Ob eine Beschäftigung vorliegt, richtet sich nach § 7 Abs. 1 SGB IV. Beschäftigung ist danach die nicht selbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Eine selbstständige Tätigkeit ist durch die freie Gestaltung der Tätigkeit, eine weitgehend selbstbestimmte Arbeitszeit und die Verfügbarkeit über die eigene Arbeitskraft gekennzeichnet. Zudem verfügen Selbstständige über unternehmerische Entscheidungsfreiheit und tragen gleichzeitig das unternehmerische Risiko. Selbstständige, die

  • regelmäßig und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind und
  • keine versicherungspflichtigen Arbeitnehmer mit einem Verdienst von mehr als 450 Euro / Monat beschäftigen,

unterliegen grundsätzlich der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Innerhalb der ersten drei Jahre können sie sich aber auf Antrag von der Versicherungspflicht befreien lassen. Des Weiteren erstreckt sich die Beurteilung auf das gesamte Auftragsverhältnis.

Die Entscheidung kann zukünftig auf Antrag auch vor Beginn der Tätigkeit getroffen werden (Prognoseentscheidung) und unter bestimmten Voraussetzungen ist eine Gruppenfeststellung möglich.

Jüngste wegweisende Entscheidungen:

Honorarärzte – Bundessozialgericht, Urt. v. 04.06.2019 – B 12 R 11/18 R, Notärzte – Bundessozialgericht, Urt. v. 9.10.2021 – B 12 R 29/19 R, B 12 R 9/20 R, B 12 R 10/20 R

Es können Bußgelder und ein Strafverfahren drohen

Bei einer Selbständigkeit besteht in der Regel keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Stellt die Betriebsprüfung jedoch im Nachhinein eine abhängige Beschäftigung fest, sind Arbeitnehmer und Arbeitgeber verpflichtet, die Beiträge zur gesetzlichen Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung rückwirkend für die letzten vier Jahre zu entrichten.

Das Bestehen einer Scheinselbständigkeit kann zudem strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. In Zweifelsfällen sollte daher von dem optionalen Statusfeststellungsverfahren Gebrauch gemacht werden.

GmbH-Geschäftsführer

Während die frühere Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auf die gelebte Unternehmenspraxis und die faktische Macht des Geschäftsführers abstellte („Kopf-und Seele-Rechtsprechung“), ist seit einigen Jahren ein Wandel in der Rechtsprechung der Sozialgerichte und des Bundessozialgerichts vollzogen worden. Das Bundesssozialgericht bestätigte in 2018 (B 12 KR 13/17 R und B 12 R 5/16 R) die Rechtsprechung, wonach GmbH-Geschäftsführer regelmäßig  sozialversicherungspflichtig sind. Eine geringere Kapitalbeteiligung führte nur dann zur Sozialversicherungsfreiheit, wenn aufgrund des Gesellschaftsvertrags (Satzung) eine echte Sperrminorität vorliegt, die es dem Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer ermöglicht, ihm nicht genehme Entscheidungen und Weisungen der Gesellschafterversammlung zu verhindern.

Mit den beiden Entscheidungen vom 1. Februar 2022 hat das Bundessozialgericht nunmehr erneut einen Wandel vollzogen und deutlich gemacht, dass statt bisher umfassende Verhinderungsmacht (Sperrminorität) nunmehr eine umfassende Gestaltungsmacht des Minderheits-Geschäftsführers einer GmbH erforderlich ist. Es reiche nicht mehr aus, dass der Minderheits-Geschäftsführer einer GmbH alle Entscheidungen in der Gesellschafterversammlung verhindern kann. Er müsse vielmehr aktiv Entscheidungen herbeiführen können.

Zur Meidung unangenehmer Überraschungen durch teilweise existenzbedrohliche Nachzahlungen an die Sozialversicherungsträger sollte daher jeder Gesellschafter-Geschäftsführer, der noch kein obligatorisches Statusfeststellungsverfahren durchgeführt hat, sowie jeder Selbstständige oder Freiberufler bei Zweifeln seinen sozialversicherungsrechtlichen Status prüfen lassen.